ASMZ | Sicherheit Schweiz

Mit genügend Finanzen zu einer Triple-A-Armee

Christian Brändli

11.03.2023

Die Armee muss laut dem Chef der Armee ausreichend alimentiert, möglichst vollständig ausgerüstet und professionell ausgebildet sein. Die SOG will dies mit einem Verteidigungsbudget von einem Prozent des Bruttoinlandprodukts erreichen, wie es an der Delegiertenversammlung hiess.

Angesichts des Ukraine-Krieges dürfe die Schweiz nicht tatenlos abseits stehen, erklärte VBS-Chefin Viola Amherd an der Delegiertenversammlung der Schweizerischen Offiziersgesellschaft (SOG) am 11. März in Brugg. Vor den knapp 200 Delegierten und Gästen betonte sie, dass die Verteidigungsfähigkeit der Armee sowie die internationale Zusammenarbeit verbessert werden müssten. «Die Schweiz darf auch ohne NATO- und EU-Mitgliedschaft kein sicherheits- und verteidigungspolitisches Vakuum in Europa  darstellen.» Die Schweizer Armee müsse mit der NATO interoperabel werden. Dazu sei es nötig, dass die Zusammenarbeit bereits in Friedenszeiten geübt werde.

Auf der einen Seite versuchte sie zu erklären, warum das Armeebudget erst bis 2035 statt wie vom Parlament gefordert bis 2030 auf ein Prozent des Bruttoinlandprodukts anwachsen könne, auf der anderen Seite wies sie darauf hin, dass der Bundesrat für die Jahre 2025 und 2026 mit einem jährlichen Wachstum von real drei Prozent rechne. Mit diesem Wachstum sei es möglich, Systeme für die Armee früher als geplant zu beschaffen und bestehende Lücken schneller zu schliessen.

VBS-Chefin will bei Wiederausfuhr Spielraum ausnutzen

Dezidiert wies die Bundesrätin auf die Wichtigkeit der Technologie- und Industriebasis (STIB) für die eigene Armee hin. «Der Erhalt von Schlüsseltechnologien im eigenen Land ist zentral.» Dies sei bei der Diskussion um Kriegsmaterialexporte zu berücksichtigen. Niemand in Europa erwarte von der neutralen Schweiz, dass diese eigenes Kriegsmaterial in kriegführende Länder exportiere. «Aber niemand versteht, warum wir unseren neutralitätspolitischen Spielraum nicht ausnutzen.» Damit meinte sie die Wiederausfuhr von Kriegsmaterial. «Eine solche Blockade ist nicht hilfreich.»    

SOG-Präsident Oberst Dominik Knill nahm diesen Ball auf und meinte, diese Worte seien Balsam auf die Wunden der STIB-Industrie. Es gelte die schädliche Korrektur-Initiative zu korrigieren. Doch er schob gleich auch nach, dass die 96 eingelagerten Leopard-2-Kampfpanzer, um die nun eine heftige Debatte geführt wird, nicht einfach ins Ausland verschenkt werden könnten. «Das ist zwar altes Eisen, aber das ist immer noch besser als kein Eisen», unterstrich er.

Zur Not ein Überbrückungsfonds

Vom Bundesrat erwartet die SOG, dass die Vorgaben des Parlaments zur Erhöhung des Verteidigungsbudgets umgesetzt würden, sprich bis 2030 ein Prozent des BIP. Sollte dieses Ziel nicht erreicht werden, fordere die SOG die Prüfung eines verzinslichen Überbrückungsfonds (siehe ASMZ März 2023). Dieser wäre zurückzuzahlen, sobald das Budgetziel erreicht sei.

In einer Umfrage wurde europaweit erhoben, wie viele Männer und Frauen bereit wären, ihr Land im Falle eines Angriffs zu verteidigen. Angesicht der tiefen Werte in Westeuropa sprach Knill von einer Wohlstandsverwahrlosung. Auch wenn die Verteidigungsbereitschaft in der Schweiz mit 40 Prozent – mit dem Ukraine-Krieg sei der Wert auf über 50 Prozent angestiegen – vergleichsweise noch hoch sei, würden offenbar viele noch immer nicht sehen, dass der Krieg wieder in Europa angekommen sei. So fehle die Verteidigung auf der Liste der grössten zehn Sorgen der Schweizer.    

Bestandessicherung prioritär

Angesichts der vielen Abgänge von Diensttauglichen in den Zivildienst sprach sich die SOG für Massnahmen aus, um diese zu reduzieren. Knill führte zudem das geplante  Sicherheitsdienstpflichtmodell an, welches die Zusammenlegung des Zivildienstes mit dem Zivilschutz zu einer neuen Organisation vorsieht. Für die Armee gehe es jedenfalls zuerst darum, den Bestand zu stabilisieren. «Erst wenn das sichergestellt ist, können wir über eine Bestandeserhöhung auf 120‘000 Armeeangehörige sprechen.» Mit Genugtuung nahm Knill namens der SOG zur Kenntnis, dass der Kernauftrag - die Verteidigung - wieder ins Zentrum gerückt wird. Dazu setzte er drei E ins Zentrum. «Die Armee muss einsatzfähig, einsatztauglich und einsatzwillig aufgestellt sein.»

Burkart will Budgeterhöhung bis 2030 erreichen

Auch Ständerat Thierry Burkart (FDP), Präsident der Allianz Sicherheit Schweiz,  meinte, dass die Zeitenwende noch nicht in allen Köpfen angekommen sei - oder sich schon wieder anderen Themen zuwenden würden. Für ihn stehen drei Themen im Vordergrund. So müssten die nötigen finanziellen Mittel für die Armee bereitgestellt werden. Wenn es sogar Österreich schaffe, sein Verteidigungsbudget bis 2027 auf 1,5 Prozent des BIP zu steigern, müsse es der Schweiz doch möglich sein, das eine Prozent bis 2030 zu erreichen. Beim zweiten Punkt gehe es darum, dass wir uns zuerst überlegen müssten, welche Verteidigung die Schweiz wolle. Wenn das geklärt sei, gelte es das dafür nötige Geld und Personal sicherzustellen. Mit Blick auf die Bestandesprobleme unterstrich er: «Unsere Milizarmee ist nicht eine Freiwilligenarmee.» Und das dritte Thema sei schliesslich das Konzept der bewaffneten Neutralität. Es sei unsere Verpflichtung, diese zu gewährleisten. Und dafür brauche es eine starke Armee und eine eigene Rüstungsindustrie, die aber ihrerseits auf Exporte angewiesen sei.    

Kritische Analyse des Armeechefs    

Korpskommandant Thomas Süssli, Chef der Armee, setzte schliesslich dem Akronym der SOG ein eigenes gegenüber: «Wir brauchen eine Triple-A-Armee. Diese muss ausreichend alimentiert, möglichst vollständig ausgerüstet und professionell ausgebildet sein.» Ehrlicherweise sei das in der heutigen Armee nicht der Fall. Zwar sei im Rahmen der WEA ein Mobilmachungskonzept wieder erfolgreich eingeführt und auch die Kaderausbildung sei verbessert worden. Verfehlt worden sei jedoch das Ziel der vollständigen Ausrüstung sowie der Sicherung des Bestandes.  

Mit dem Zielbild 2030 gehe es um das Denken in Fähigkeiten. Gerade mit der Einführung der F-35 sei eine Rückkehr zur integrierten Luftverteidigung möglich. Am Boden werde eine zonengebundene Verteidigung angepeilt. Flächendeckend verteilt würden leichte Kräfte, dazu kämen mittlere und in Schwergewichtszonen kämen die schweren und auch mittleren Kräfte zum Einsatz. Dazu kämen noch die Unterstützungs- und Spezialkräfte. Im Cyberraum gehe es primär um den Selbstschutz. «Wir müssen aber auch die offensiven Fähigkeiten ausbauen», unterstrich Süssli.

Ab 2027 Trainings im Ausland

Angesichts der vorhandenen Finanzen und des grossen Erneuerungsbedarfs – 24 Hauptsysteme kommen in den nächsten 20 Jahren an ihr Lebensende - «würde es ewig dauern, bis wir die volle Verteidigungsfähigkeit erreicht haben». Deshalb werde nun punkto Ausrüstung ein neuer Ansatz geplant: Ein Drittel der Armee soll komplett erneuert werden. Nun gehe es darum zu überlegen, was alles in diesem Drittel drin sein solle und was das koste.

Was die Alimentierung anbelange, werde nächstes Jahr der Entscheid zum Dienstleistungsmodell fallen. Grosse Sorgen bereitet dem Armeechef, dass bis Ende dieses Jahrzehnts der Bestand ohne tiefgreifende Massnahmen um rund 20'000 Armeeangehörige abnehmen wird. Was die Ausbildung anbelange, mache die Armee das schon heute hervorragend, würden doch die Rekruten in 18 Wochen ausgebildet. Allerdings sei die Ausbildungsinfrastruktur ungenügend. «Wenn der künftige Kampf im urbanen, überbauten Gebiet stattfindet, dann müssen wir auch dort trainieren können.»  Zudem sei es in der Schweiz nicht möglich, Feuer und Bewegung in Bataillonsstärke zu üben. «Deshalb wollen wir ab 2027 freiwillige Trainings im Ausland durchführen können», betonte der Chef der Armee.  

Wieder eine Frau im SOG-Vorstand

Die statutarischen Geschäfte erledigte die Versammlung zügig und diskussionslos. Einstimmig wurde Hauptmann Lorena Branchina neu in den SOG-Vorstand gewählt. Sie arbeitet als Berufsoffizier in Ausbildung im Kompetenzzentrum Veterinärdienst und Armeetiere Sand/Schönbühl. Wiedergewählt wurden Brigadier Yves Charrière, Oberst im Generalstab Philip Bornhauser, colonel EMG Laurent Ducrest und Colonnello Mattia Annovazzi.

Einstimmig angenommen wurden auch die Rechnung 2022 sowie das Budget 2023. Präsident Oberst Dominik Knill und Finanzchef Hauptmann Rinaldo Rossi wiesen insbesondere auf die schwierige Finanzlage beim Verbandsorgan ASMZ hin. Grund dafür sind die Kostensteigerungen seit dem Jahr 2005, als letztmals eine Erhöhung des Pflichtabopreises auf 30 Franken beschlossen wurde. Erschwerend komme hinzu, dass seither die Zahl der Pflichtabonnenten um 9000 gesunken sei. Mit der aktuell laufenden Leserumfrage sollen nun Antworten gefunden werden, wie es mit der ASMZ weitergehen soll. Über die Zukunft des Organs wird an der Delegiertenversammlung 2024 abgestimmt.     

 

 

 

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