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Westliche Kampflugzeuge für die Ukraine?

Kaum ist der Entscheid zugunsten der Lieferung westlicher Kampfpanzer gefallen, wurden die Rufe nach westlichen Kampfflugzeugen laut – wie im Falle der Kampfpanzer, eine seit Kriegsbeginn immer wieder zu hörende Forderung der Ukraine. Mittlerweile geben sich verschiedene Politiker im Westen gesprächsbereit und erkennen in der Lieferung von Kampfflugzeugen keine roten Linien mehr, wie noch zu Beginn des Krieges. Doch was wäre der Nutzen dieser Kampfflugzeuge, die von der Komplexität her in einer neuen Liga spielen würden?

30.01.2023   Thomas Bachmann

Die ukrainische Luftwaffe sah sich seit Kriegsbeginn in die Defensive gedrängt. Dass sie aber angesichts der russischen Überlegenheit trotzdem noch existiert und immer wieder Nadelstiche zu setzen vermag, kann als beachtlichen Erfolg gewertet werden. Trotzdem gingen gemäss des niederländischen Online-Blogs «Oryx» bereits 52 Kampfflugzeuge verloren, was rund die Hälfte der anfangs verfügbaren Maschinen umfasst. Darunter befinden sich mit 15 Mig-29 «Fulcrum» und 7 Su-27 «Flanker» aus Sowjetzeiten die leistungsfähigsten ukrainischen Muster, was den Schutz des Luftraums betrifft.

Hier handelt es sich also um klassische Abfangjäger, die aber aufgrund der russischen Präsenz von modernen Langstreckenabfangjägern Mig-31 «Foxhound» und Su-35S «Flanker-E» sowie der raketengestützten Flugabwehr gezwungen werden, in niedrigen Flughöhen zu operieren, was ihre Effektivität im Einsatz gegen Marschflugkörper, Drohnen oder russische Maschinen deutlich einschränkt. Weitere hohe Verluste hatten die Verbände mit ihren Su-25 sowie Su-24 zu verzeichnen, die für die Luftnahunterstützung und den Erdkampf zuständig sind.

Westliche Muster dringend gefragt

Händeringend wurde nach Ersatz gesucht, wobei zunächst Betreiber derselben Muster als mögliche Lieferanten in den Fokus gerieten. Im Falle der Mig-29 waren dies Polen, Bulgarien und die Slowakei. Im Falle der slowakischen und polnischen Exemplare wird inzwischen davon ausgegangen, dass mindestens einige Exemplare zerlegt den Weg in die Ukraine gefunden haben dürften, deklariert als Ersatzteillieferung. Den gleichen Weg gingen angebliche mehrere Su-25 «Frogfoot» aus Mazedonien und Bulgarien, auch wenn sich hier die Bulgaren sehr bedeckt gegeben.

Dennoch verstummten die Forderungen und das Bitten aus Kiew nach modernen westlichen Mustern der 4. Generation nicht, um wieder aktiver in Erscheinung treten zu können. Nun stellt sich die Frage, welche Muster hierfür überhaupt in Frage kommen könnten, respektive verfügbar wären.

Vorteil F-16 «Fighting Falcon» – der Leopard 2 der Lüfte

An erster Stelle wird immer wieder die F-16 von Lockheed-Martin genannt, die – wie der Leopard 2-Panzer – in Europa weit verbreitet ist. Da momentan viele europäische Luftwaffen ihre F-16 durch F-35 ersetzen, kann hier auf eine vorhandene und intakte Support-Infrastruktur zurückgegriffen werden. Dieses Muster liesse sich aufgrund seiner Mehrrollenfähigkeit sowohl im Luft-Boden als auch Luft-Luft-Einsatz verwenden und würde – entsprechend bewaffnet – die russischen Luftstreitkräfte vor neue Herausforderungen stellen.

Da es sich hier also um ein weitverbreitetes Muster handelt, wäre sowohl die Ausbildung ukrainischer Piloten als auch der wichtigen Techniker kein Ding der Unmöglichkeit, diverse NATO-Staaten könnten hier Hand bieten. Von zwei Staffeln à 12 Kampflugzeuge ist momentan die Rede, eine Zahl, die durchaus realistisch erscheint. Die Niederlande haben jüngst als Erste verlauten lassen, dass eine Abgabe der überzähligen F-16 an die Ukraine kein Tabu mehr darstellen würde. Sowohl Norwegen wie auch Dänemark könnte diesem Beispiel folgen und wird den Verlautbarungen des Sprechers der ukrainischen Luftwaffe Glauben geschenkt, so habe die Ausbildung der Piloten und Techniker schon begonnen. Gleichzeitig habe man begonnen, die Luftwaffenstützpunkte entsprechend vorzubereiten, wobei das Augenmerk neben einer Verlängerung der Lande- und Startbahnen auch auf die Dezentralisierung gelegt werde, wobei hierzu besonders auch Autobahnabschnitte und Strassen zählen würden.

Hierfür wäre als Alternative die schwedischen JAS-39 Gripen prädestiniert, deren Einsatzkonzept konsequent auf minimale Wartungsintervalle unter Einsatz von Reservisten als Wartungspersonal ausgelegt wurde. Der britische Think Tank RUSI sieht in diesem Muster die sinnvollste Lösung, ob aber die Schweden, die Tschechen oder Ungarn als einzige Betreiber in Europa bereit wären, auf Teile ihrer Gripen-Flotte zu verzichten, darf zurecht bezweifelt werden.

Neben den erwähnten Mustern werden auch die Boeing F/A-18C/D «Hornet» genannt, die über die entsprechenden «Dual-Role-Fähigkeiten» verfügen würden. Als Lieferländer kämen hierbei nur die USA, allenfalls Spanien wie auch Australien in Frage. Letztere haben ihre Flotte stillgelegt und bereits Teile davon den Kanadiern verkauft, da sich die Einführung der F-35 «Down Under» in der Endphase befindet. Auch in den USA befinden sich noch einige der «Legacy-Hornets», wie die auch von der Schweiz geflogene F/A-18 C/D genannt werden, in Reserve, da diese sowohl im Marine Corps als auch von der Navy durch die F-35C sowie F/A-18 E/F «Super Hornets» ersetzt werden.

Frankreich, das sich - was Waffenlieferungen an die Ukraine betrifft - oft etwas zurückhaltend gibt, kam neuerdings als Lieferant von Mirage 2000C ins Spiel. Dieser Kampfflugzeugtyp wurde im Juni 2022 ausgemustert und würde zahlreich zur Verfügung stehen, auch wenn der Kampfwert gerade im Bereich der Luftverteidigung nicht mehr allzu hoch eingestuft würde. Im Luft-Boden-Einsatz würden die französischen Mirage-Jets jedoch eine Verstärkung darstellen. Gemäss einigen französischen Quellen zufolge, wird selbst die Lieferung der modernen Dassault Rafale an die Ukraine nicht ausgeschlossen.

Umstrittener Mehrwert

Inwiefern westliche Kampfflugzeuge einen Mehrwert darstellen würden, darüber scheiden sich die Geister. Während die intensive Ausbildung und Umschulung auf westliche Modelle als zeitraubendes Hindernis bezeichnet werden und zurecht auf die komplexe logistische Unterstützung hingewiesen wird, gehen andere Meinungen davon aus, besser in den weiteren Ausbau der bodengestützten Luftverteidigung zu investieren. Dieser geht mit Lieferungen diverser westlicher Systeme wie beispielsweise NASAMS voran. Bis aber die ersten Patriot-Batterien in der Ukraine stationiert werden, wird noch einige Zeit vergehen.

Ebenso muss der Nachschub mit den Abfangraketen sichergestellt werden, und dies könnte sich noch als Achillessehne erweisen. Hier rächt sich, dass die NATO die letzten Jahrzehnte über im Abfangjäger das primäre Luftverteidigungsmittel sah und als Folge davon, die raketengestützte Flugabwehr abgebaut oder deren Entwicklung vernachlässigt hatte. Hier wurde nun Gegensteuer gegeben und einen unmittelbaren Handlungsbedarf erkannt, aber dieses Umdenken wird Zeit benötigen, ehe es zu greifen beginnt.

Auch wenn die Ukraine in den nächsten Monaten mit westlichen Kampfflugzeugen der 4. Generation ausgerüstet werden würde, bleibt die Gefahr der weitreichenden russischen Flugabwehrsysteme S-400 und S-300. Daneben scheinen sich die leistungsfähigen Su-35S «Flanker E» und Mig-31 «Foxhound» an die Taktik der Ukraine angepasst zu haben und aus der Distanz ihre Vorteile wie ein überlegeneres Bordradar in Kombination mit weitreichenden Luft-Luft-Raketen auszuspielen; empfindliche Verluste der Ukraine waren bisher die Folge.

Ob westliche Muster hier also gleich die Kräfteverhältnisse umkehren würden und die russische Luftüberlegenheit über den Frontabschnitten beenden würde, wie von den Ukrainern behauptet, kann bezweifelt werden. Dies hängt schliesslich von der Anzahl, der Bewaffnung sowie der Ausbildung dieser komplexen westlichen Muster ab. Aufgrund der wohlwollenden Rhetorik in vielen westlichen Ländern macht es den Anschein, dass es nur eine Frage der Zeit sein wird, bis auch diese einst als «rot» deklarierte Linie fallen wird.

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